Heute beim Joggen habe ich zufällig etwas verstanden, was ich oft gelesen, aber nie wirklich fassen konnte. Ich war mit meiner Schwester so am Laufen und wir haben uns über unsere Arbeit ausgetauscht. Sie meinte so in etwa, dass ein Arbeitskollege ihr den Rat gegeben hat, doch einfach kürzer zu treten, da sie einfach zu viele Infos ohne Gegenleistung preisgibt und darum beruflich auch nicht vorankommt. Das ist jetzt eine sehr freie und auf diesen Kontext zusammengefasste Version, denn keine Aussage ist so eindeutig in ihrer Ausrichtung, es schwingen immer viele andere Subkontexte im Gesagten mit. Aber egal. Wir halten mal den Gedanken fest, dass Sie nun also einsieht, dass er recht hat aber einfach das Gefühl hat nicht aus ihrer Haut zu können, weil sie ein Leistungsträger ist und am Wohl des Unternehmens interessiert ist. Sie könne nie im Leben Wissen wissentlich vor anderen fernhalten, um sie auflaufen zu lassen und strategische Spielchen spielen, da ihre Leistungsbereitschaft ihr dann eh über Kurz oder Lang einen Strich durch die Rechnung machen würde und sie dann nur über die wegen dem Taktieren verschwendeten Zeit frustriert wäre. Ich habe daraufhin nur salopp geantwortet, dass ich genau an diese Punkt vor 6 Monaten stand und mein Job mich auszulaugen drohte, ich darum bewusst für mich die Bremse gezogen habe und folgendes gemacht habe. Ich habe mir folgende Fragen gestellt:

– Was ist das Gehalt was ich bekommen? -> Zahlen sind okay, ich kann davor gut leben.
– Ich die Arbeit, die ich dafür mache fair entlohnt? -> NEIN
– Welche Jobs machen meine Kollegen für dieses Gehalt? -> Keine solch komplexen und mit so einem großen Verantwortungs- und Komplexitätsgrad.
– Was macht mir Spaß und wäre einer dieser Jobs? -> Back to my roots. Back to coding, kein Projektleitungswahnsinn mehr.

Daraufhin habe ich mir MEINE Stellenausschreibung für mich definiert, in der ich mir klar überlegt habe, was ist mein Job umfasst, wie weit mein Verantwortungsbereich geht und was ich bereit bin für das Gehalt neben dem Coding zu tun.

Ich bin schon so viele Jahre in Vorleistung gegangen ohne je die Entlohnung, die mir als Karotte vor die Nase gehalten wurde, zu bekommen, so dass für mich ab diesem Moment feststand, dass ich auf keine Entlohnungssteigerung mehr als Ziel warte, sondern mit meinem sehr guten Gehalt den Job mache, dem das Gehalt entspricht. Ich habe mir also einen alten Chef innerhalb der Firma gesucht, den ich mag, hab ihn gefragt, ob er so einen Entwicklerjob zufällig frei hat und er hatte. Er wollte mich auch für genau diese Tätigkeit haben. Er kannte mich von früher und wusste was für ein Arbeitstier ich bin und hat auch vermutlich gehofft, dass ich zwar das eine sage, aber dann bestimmt nicht anders kann, da es früher auch so war. Aber seit ich da bin und ich von Anfang an ja einen klaren Job angetreten habe, bei dem mir auch mein Chef offen mitgegeben hat, dass er bei sich in der Gruppe keine Aufstiegschancen für mich hat, da er keine entsprechende Stelle hat, war für mich endgültig der Druck raus. Ich war am Ziel, bei meinem Job, den ich wollte für das Gehalt, das er meiner Meinung nach wert war.

Wenn mein Chef also seit meiner Rückkehr vorsichtig andeutet, dass da noch andere Aufgaben wären und ob ich nicht eine Idee hätte, stelle ich mir für mich innerlich die Frage:

STEHT DAS AUF MEINER PERSÖNLICHEN JOBBESCHREIBUNG?

Wenn nein, dann lächle ich höflich und sage Dinge, wie:
– Evtl. könnte da die eine Kollegin etwas wissen, denn das ist ja ihr Schwerpunkt.
– Ich könnte mir vorstellen, dass es vielleicht gut wäre, da einen Berater dafür zu holen, aber das wäre nur ein Gedanke.
Das sind Ratschläge, die ich kostenfrei und unvorbereitet in einer Rücksprache auf Nachfrage gebe. Ich bereite die Themen nicht mehr in vorauseilendem Gehorsam vor und auf. Ich investiere nicht mehr viele Stunden, um de Probleme anderer zu lösen. Ich höre sie mir an, wenn ich einen Rat on the fly habe, sag ich diesen, drehe mich dann aber um und widme mich MEINEM Job. Einem, der fair entlohnt ist und der mir damit auch Spaß macht, denn immerhin habe ich mich genau auf diesen Job beworben.
Es geht also nicht darum sich vorzunehmen, dass man in Zukunft weniger leisten wird und sich ja nicht ausbeuten lassen wird. Es geht nicht um eine „Trotzreaktion“, um gegen eine Ungerechtigkeit anzugehen. Es geht um den Wechsel der Perspektive. Es geht darum sich nicht zu fragen, warum werde ich nicht mehr, sondern zu fragen, wie hole ich das Maximum für mich in den für mich vorliegenden Rahmen raus.

Diese Haltung schließt eine Karriere nicht aus, aber wenn wir ehrlich sind, dann stellen wir sehr schnell fest, ob wir beruflich an einem Ort weiterkommen oder nicht. Und wir können wie verrückt hoffen und zu irren und der Karotte nachjagen, die Jobs wechseln, bis endlich der richtige kommt oder wir können unsere persönlichen Ziele im Job neu definieren und damit den ganzen Rahmen verändern. Denn wenn Vorleistung nicht honoriert wird, dann verzweifeln wir und fühlen wir uns nicht mehr wertgeschätzt. Wenn wir aber definieren, was eine faire Leistung für das Gehalt ist und in unseren Augen das beste für das Gehalt leisten, so tun wir nicht nur dem Unternehmen was Gutes, sondern vor allem unserer Seele. Denn dadurch bringen wir uns plötzlich selbst eine enorme Wertschätzung entgegen und fokussieren uns nicht mehr auf die Karotte, die unsere Chefs vor unseren Nasen baumeln lassen und die wir nie erreichen werden, weswegen wir uns als nicht gut genug fühlen.

Seid nicht der Esel, der der Karotte nachrennt, seid Euer Chef und definiert für Euch, was Ihr bereit seid für Euer Gehalt zu leisten und was Euren Job für Euch fair und liebenswert macht und dann macht genau das. Wenn ihr glücklich seid macht ihr einen guten Job und habt viel mehr Energie für das Leben neben dem Job, was oft das Wichtigere ist.