Aktuell arbeite ich mich durch das Buch Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman. Das Kapitel zum Thema Neue Erwartungstheorie bzw. im Englischen die Prospect Theory hat mich als Feministin sehr hellhörig gemacht. Dabei geht es darum, wann Menschen bereit sind Risiken einzugehen, um etwas zu gewinnen. Herr Kahneman, wenn ich etwas nicht 100% korrekt wiedergebe, dann sorry, aber ich beschreibe mal, wie die Theorie bei mir außerhalb des Lotterie-Kontextes angekommen ist. Im Wesentlichen berücksichtigt diese Theorie, wie persönliche Risiken die Entscheidungsfindung beeinflussen. Menschen verhalten sich risikoavers, d.h. sie bevorzugen sichere geringere Zahlungen im Gewinnfall gegenüber höheren, aber unsicheren Gewinnen. Ein weiterer Aspekt ist der Endowment-Effekt, der besagt, dass Individuen Dinge, die sich bereits in ihrem Besitz befinden, deutlich höher wertschätzen als Dinge, die ihnen nicht gehören.

Was hat das nun aber mit dem Alltag der Frauen zu tun? Uns wird oft vorgeworfen, dass wir im Vergleich zu Männern nicht so viele Risiken eingehen, dass wir nicht bereit sind uns voll und ganz der Arbeit zu widmen, dass wir zu wenig das einfordern, was uns zu steht. Ja, das stimmt. Aber die Ursachen dafür liegen eben in der neuen Erwartungstheorie. Wir Frauen haben bei all diesen Punkte mehr Risiken, als erwartete Gewinne, wir haben eine geringere Grundlage auf die wir zurückgreifen können, als unsere männlichen Zeitgenossen. Wie meine ich das? Nun gut, also Männern gehört die Welt, sie leiten Unternehmen, sie bestimmen politisch was passiert, also u.a. welche Jobs welche Gehälter verdienen. Wenn ein Mann fällt sind Millionen da, um ihn abzufangen und abzulösen, bei Frauen ist es anders. Sie sind meistens alleine in einer Führungsrolle und es sind Millionen Männer da, um sie fallen zu sehen, denn sie sind scharf auf den Posten der Quotenfrau. Was ist also für eine Frau drin, wenn sie nach den Sternen greift? Potentieller maximaler Gewinn: eine leitende Funktion bei der man endlich mitgestalten kann. Echte Risiken: Mehr Arbeit als Männer, weniger Anerkennung, viel Häme, Einsamkeit, weniger Gehalt für denselben Job, keine Wirkliche Inklusion durch die männlichen Kollegen, also kein wirklicher Gestaltungsspielraum, Verlust der Weiblichkeit, Abwertung durch die Gesellschaft. Was wäre der Gewinn, wenn Frau nicht nach den Sternen greift? Sicherer Gewinn: gesichertes Einkommen, da Männer an den geringbezahlten Jobs weniger interessiert sind, Zeit für Freunde und Familie. Risiken: Träume bleiben unerfüllt. Und was sollte Frauen also nun motivieren sich in die Höhle der männlichen Löwen zu begeben?

Gehen wir nun noch auf den Endowment-Effekt ein. Männer haben wie gesagt oft ein soziales Netzwerk. Die ganze Gesellschaft hält ihnen bis heute als den großen Ernährern den Rücken frei und sie dürfen sich beruflich voll ausleben. Männer sind aber nur theoretisch die großen Ernährer, denn meistens sind es dennoch Frauen mit geringeren Gehältern diejenigen, die die Familien ernähren, während Männer ihre großen Gehälter größtenteils für sich ausgeben. Das spielt aber keine Rolle, denn Männer werden von klein auf dazu ermuntert laut zu sein, ihre Wünsche zu äußern, Raum einzunehmen. Ihnen wird suggeriert: Die Welt ist deine Auster. Sie haben also schon die Welt als ihr Eigentum als Basis auf der sie aufsetzen. Frauen wird mitgegeben bescheiden zu sein, sich mit ihrem Aussehen den Männern gefällig zu machen, Geräusche zu vermeiden und ihre Wünsche indirekt zu fordern, so dass keiner mitbekommt, dass sie welche haben. Also soll Frau kommend von Nichts sich bis in die Sterne katapultieren, während Männer von der Welt als solider Basis abspringen dürfen. Es ist also eher verwunderlich, dass Frauen dieses Risiko überhaupt eingehen und nicht, dass der Großteil der Frauen sich mit Krümeln abgibt. Denn Wenn man von Nichts kommt sind Krümel des Kuchens schon ein wahnsinniger Gewinn. Denn diese Krümel ernähren die eigenen Kinder und wir als Mütter können darum nicht riskieren diese Krümel zu verlieren. Lasst und vielleicht als Gesellschaft daran arbeiten den Kuchen fairer zu verteilen, in dem wir unsere Kinder zu gleichberechtigteren Menschen erziehen, dann haben wir mehr weibliche Sternenpflückerinnen und das sollte doch auch den Männern für ihre Töchter ein erstrebenswertes Ziel sein.