… scheint das Moto dieser Zeit zu sein. Ich beziehe diese Aussage nicht nur auf den Alkoholkonsum, sondern auch auf den Verzicht auf ALLES. Menschen verzichten auf Zucker, Mehl, Kaffee, Fleisch, sinnlosen Freizeitspaß, Nichtstun, etc. Es wird das ganze Leben optimiert, getuned, verfeinert und bis ins letzte Detail versucht das Maximum und nüchternes Optimum rauszuholen. Allein beim Schreiben dieser Zeilen bekomme ich Herzrasen und Bauchschmerzen, denn ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass wir Lebewesen dazu gar nicht gemacht sind.
Die Naturvölker haben von jeher berauschende Mittel geraucht und wohlschmeckendes gegessen. Sogar Elche haben Spaß daran vergorene Äpfel zu essen, um dann singenderweise durch die Landschaft zu torkeln. Die Mönche haben ihr Dasein mit Bierbrauerei und dessen Genuss versüßt und irgendjemand ist auf die Idee gekommen Kuchen und Torten zu backen und das nicht, weil diese so nahrhaft und gesund sind, sondern weil sie schmecken. Wenn man historische Romane liest, so verbrachten Familien ihre Abende mit Musik(machen), Lesen und sehr vielen Spaziergängen, also einer Bewegung ohne Ziel. Schriftsteller hatten 4 Stunden Arbeitstage, weil sie alles andere als geistig lähmend und als nicht produktiv erachteten. Diese Bilder des einfachen Seins, die bei mir beim Schreiben dieser Zeilen im Inneren wachsen, beruhigen mich. Sie entschleunigen und ich kann freier atmen. Darum würde ich eigentlich gerne mit dem Beitrag hier aufhören, aber ich muss aufzeigen, wie sich das Leben heute anfühlt.
Kaum aufgestanden muss man sich fürs Büro chic machen, denn es gibt da Konventionen, was von einem erwartet wird. Style dich so, wie der Job ist, den du machen willst, willst Du also Chef sein, kleide dich auch als kleines Licht, wie ein Chef. Und da man ja nicht so faul sein soll, hat man optimaler Weise gleich morgens noch eine Sporteinheit eingeschoben, da Morgensport, viel geünder ist als Abendsport. Und natürlich ist man frisch geduscht, gecremt, frisiert, rasiert und geschminkt und das bevor Alexa ansagt, dass es schon 7 Uhr ist. Ach ja, nebenbei hat man einen Smoothie entweder gleich zum Frühstück oder als Mittagsessenersatz zubereitet. Dieser besteht selbstverständlich aus frischen Zutaten vom Biobauern nebenan. Die Zutaten hat man natürlich am Tag vorher persönlich abgeholt und liebevoll gewaschen und geschnippelt. Dann radelt man mit Helm zur Arbeit, aber mit Ebike, damit man nicht wieder ins Schwitzen kommt. Im Büro setzt man sich sofort effizient an den Rechner und widmet sich den Tonnen an Emails. Natürlich schafft man es nicht diese abzuarbeiten, also trinkt man optimalerweise den Smoothie direkt am Arbeitsplatz und arbeitet die Mittagspause durch, denn wenn die Arbeit Spaß macht, dann macht man das gerne, wie man nicht müde wird vor anderen Kollegen dies zu betonen, weil man ja seine eigene Effizienz und Besonderheit zur Schau stellen muss. Das muss man, denn sonst ist man nicht sichtbar und die eigene Leistung wird bei Gehaltsverhandlungen ignoriert. Also muss man prahlen und sich beim Chef bemerkbar machen, das wird dann honoriert. Gute Arbeit ist heute eigentlich irrelevant. Wer am lautesten Schreit und für sich am besten Werbung macht, wird befördert. Wenn man dabei auch noch fit und schlank aussieht, dann wird man was. Auf Betriebsfeiern trinkt keiner mehr Alkohol, denn es werden ja ständig Handyfotos gemacht und diese dann per WhatsApp verteilt und darum lässt man am besten die Feierlichkeiten ganz weg. Denn wer hat eigentlich schon Zeit mit den Kollegen abends zu feiern? man hat Elternabende, Yogastunden, Fortbildungskurse, karitative Einsätze, Einsatz beim Sportverein, elitäre Freundeabende, die man natürlich im Konzert oder in einer sehr schicken Bar verbringt. Alles ist so blank poliert, optimiert und eben nüchtern. Wo sind die unbeschwerten Abende mit Freunden an denen man den ganzen Abend auf dem Sofa bei ein oder zwei Flaschen Wein versumpft ist? Am nächsten Tag hat man vielleicht einen Kater, aber auch Bauchschmerzen, weil man so viel gelacht hat, wie schon lange nicht mehr. Wo sind die Arbeitstage, die man gemeinsam mit einer netten Kollegin bei einem Kaffee begonnen hat, weil die Arbeit einem eh nie ausgeht? Wo sind die unbeschwerten Firmenevents, bei denen es auch zwei Kollegen im Kopierraum mit einander treiben konnten, weil sie keine Angst davor zu haben brauchten, dass jemand ein Foto macht. Bürotratsch gehörte schon immer dazu, aber heute wird auch dieser zensiert und mit Fotos will dieser keinen dokumentiert sehen. Mir fehlt die Leichtigkeit des Seins, mir fehlt die Luft zum Atmen in all dem Perfektionismus. Wir versuchen sogar beim Entschleunigen perfekt zu sein. Wir machen dann nicht nur ein Mal die Woche Yoga, nein wir machen gleich Yoga-Retreats, kaufen uns die entspanntesten Klamotten, essen streng nach Ayurveda vorgaben und richten den ganzen Lebensstil danach aus. Yoga allein ist so out, denn das ist nicht authentisch, sondern nur Mainstream, man ist dabei so unkreativ primitiv.
Wie kommt Frau raus aus diesem Hamsterrad an höher, schneller, weiter? Ich bin nun 40 und ich habe gedacht, dass der Druck auf mich als Frau dann endlich nachlässt, dass man von mir keine Perfektion mehr erwartet, aber Pustekuchen. Die einen Fragen, ob ich nicht noch ein Kind will, die anderen, ob meine Karriere wirklich noch warten kann, die dritten schreiben Artikel über die neue Frau ab 50, die fitter und schlanker und strahlender aussieht, als die 30jährigen, weil die letzteren ja noch so unentspannt wären. Muss ich also nur diese Anspannung die nächsten 10 Jahre durchhalten und dann werde ich diese fitte entspannte 50-jährige? Hahahahaha Na gut, ich finde kein Ende zu diesem Beitrag. Ich glaube wir sollten einfach mal sein. Medien aus, Schuhe an und raus in die Natur ohne Handy nur mit dem eigenen ich. Abends bewusst die Freundin treffen und nur auf dem Sofa versacken. Zeitschriften mit Models meiden. Frauenromane und seichte Literatur lesen und die Leidenschaft und Liebe dort miterleben. Raum zum Faul-Sein im Leben lassen. Vielleicht würde das schon vieles einfacher machen.
Eine Sache möchte ich doch noch mit Euch teilen. Ich habe eine Kollegin, die sehr glücklich zu sein scheint. Sie erzählte mal, dass ihre Schwiegermutter die Kinder übers Wochenende abgeholt hatte, damit sie und ihr Mann den Garten fertig machen konnten. Doch die beiden haben spontan beschlossen, scheiß auf den Garten, der läuft nicht weg und sie haben sich zwei Tage daten gegönnt. Sie waren im Kino, spazierten durch die Stadt, brunchten im Cafe, hatten ein romantisches Abendessen bei Italiener, etc. Sie sah nach dem Wochenende um Jahre jünger aus. Ich glaube sie hat die Lösung gefunden. Scheiß auf was man müsste, tu doch das, was du eigentlich tun wollten würdest… und du wirst sehen, dass es öfter möglich ist, als Frau denkt. Ist das ein gutes Ende??? 😉